Andrea Helmuth

Andrea Helmuth

16 + 1: Alle Bundesländer in einem Jahr 2011

Wochenendausflüge

 

Wer über das Fernsehprogramm meckert, muss halt laufen gehen – habe ich mal irgendwo gelesen. Das Kalenderjahr hat 365 Tage. 365 Tage, an denen man theoretisch einen Marathon laufen könnte und am liebsten auch möchte. Bedauerlicherweise müssen wir aber fast alle Geld für unser Hobby verdienen. Immerhin bleiben noch 30 garantierte Urlaubstage, plus 52 Samstage, 52 Sonntage und einige gesetzliche Feiertage, die manchmal freundlicherweise nicht auf ein Wochenende fallen. Viel Zeit, um in unseren Körper zu investieren und in unseren Geist.

 

 

Wir wollen euch Lust machen, einfach loszulaufen und euch umzusehen. „Wie kommt man auf die Idee, in einem Jahr in jedem Bundesland einen Marathon zu laufen?“ Diese Frage wurde uns in diesem Jahr häufig gestellt. Unsere Antwort: Nichts ist einfacher als Laufen. Technisch anspruchslos, für nahezu alle Altersstufen möglich. Laufen kann man im Schnee und im Sand, an der Schnellstraße, am Strand, im Stadion, über Äcker und Wiesen, bei Hitze und Frost, in der Dunkelheit, im Regen, unter gleißender Sonne, in der City und das alles in Deutschland.

Klar, Deutschland liegt noch immer dort, wo es schon immer lag: dick und rund mitten auf dem Kontinent. Kaum jemand kommt daran vorbei. Wir waren zum Laufen in der Sahara und in der Antarktis. Mit dem Rennrad in Südafrika. Aber, was bitte schön ist schon exotisch an Deutschland? Ja, die Salomon-Inseln, die Einwohner von Papua-Neuguinea, oder das Westsibirische Tiefland. Aber auch den entlegenen Teilen der Schweiz oder Österreichs wird ein mystischer Reiz beigemessen. Aber die eigene Heimat?

Den Serengeti-Nationalpark in Afrika oder der Yellowstone in Nordamerika kennt fast jeder. Das es aber auch in Deutschland 12 Naturreservate mit strengem Schutz für Flora und Fauna gibt, war uns dagegen unbekannt. Auch wollten wir mal ganz in der Nähe Geschichte und Geschichten entdecken.

Im November letzten Jahres meldeten wir uns zum Transalpine-Run an. Wie aber nur gezielt darauf hin trainieren, wenn man nicht aus den Bergen kommt und es uns verhasst ist, immer die gleichen Wege zu laufen? Die Idee der 16 Bundesländer war geboren und versüßte von nun an unser Training – bis zum Drama der gefallenen Helden.

Wir starteten sozusagen einen Selbstversuch; ein kleines Abenteuer , für das es am Anfang Mut und am Ende auch Durchhaltevermögen brauchte. Natürlich kann man noch mehr laufen, oder aber auch einfach weniger. Jeder nach seiner eigenen Facon.

Die Reihenfolge der Bundesländer bestimmte der Terminkalender: In welchem Monat gibt es welchen Lauf? Marathonläufe, auf denen wir in den Vorjahren unterwegs waren, wurden ausgeschlossen. Dies machte die Sache nicht leichter. Ab Mitte des Jahres sollten die Läufe auch Höhenmeter aufweisen, je mehr desto besser.

Mit Stock, Hut und einem zusammengerolltem Bündel machten wir uns auf den Weg. Zumindest so oder so ähnlich. Von Norden nach Süden, von Osten nach Westen. Wir sind gelaufen, von Schleswig-Holstein bis zum Schwarzwald, von der Nordsee bis in die bayerischen Alpen. Wir haben gestaunt, was es in Deutschland zu entdecken gibt.

Irgendwann wurden die Reisetasche und der Rucksack nicht mehr ausgeräumt – nur noch angepasst. In den unterschiedlichsten Unterkünften, ob in Schlafsäcken auf Turnhallenboden oder im King-Size Bett im 4-Sterne-Hotel träumten wir doch nur von einem: Nudeln. Nudeln in allen Varianten. Tagliatelle, Farfalle, Cavatelli oder einfach von Spagetti. Und dabei hat doch jedes Bundesland seine eigenen kulinarischen Köstlichkeiten. Auf was wir unglaublich stolz sind: 12 000 Kilometer auf der Autobahn ohne Pannen und Strafzettel! Und fast immer hat es der Wettergott gut mit uns gemeint.

Nordrhein-Westfalen:

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Die ersten sieben Runden des Jahres drehten wir im Januar auf den Feldwegen von Kevelaer. Wer hier läuft, kennt sich; oder lernt sich kennen. Wichtigster Anziehungspunkt des Ortes ist die Gnadenkapelle, welche seit über 360 Jahren die Wallfahrer aller Herren Länder an den Niederrhein ruft.

Schleswig-Holstein:

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Wind, Wind, Wind. Wir laufen einmal hin und einmal her. Husum ist eine kleine, an manchen Ecken beschauliche und verwinkelte Stadt. Und hier steht auch das Haus, in dem der Dichter Theodor Storm gewohnt hat. Wir wohnten hinter dem Deich und vielleicht haben wir sogar den Schimmelreiter gesehen. Ein letztes Winken des Herings, bevor er als Labskaus bei der Siegerehrung des Wintermarathons in unseren hungrigen Magen abtaucht.

Thüringen:

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Von der Kur- und Salzstadt Bad Frankenhausen und durch das Kyffhäuser-Gebirge über die Barbarossahöhle, das Kyffhäuser-Denkmal, die Königspfalz Tilleda und das Panorama Museum führt der Kyffhäuser-Marathon. Am Ende des Laufes haben wir immerhin 700 Höhenmeter gemacht.

Brandenburg:

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Ganz flach wird es beim anschließenden Spreewald-Marathon. Nur eine Stunde von Berlin und die Welt ist eine andere. Die Spreewald-Königin ist die Gurke und die wird uns im Ziel um den Hals gehängt.

Sachsen-Anhalt:

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51 Kilometer verzauberter Hexenwald im Nationalpark Harz. Und was wäre die Harzquerung ohne Übernachtung in DER Turnhalle. Kultig und ein absolutes MUSS für alle Harzquerer.

Sachsen:

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Der Oberelbe-Marathon in Dresden führt am Nationalpark Sächsische Schweiz vorbei. Sie ist nicht nur eine geologische Rarität und ein imposantes Naturdenkmal, sondern auch im mythischen Sinne eine besonders „deutsche“ Landschaft.

Niedersachsen:

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Gorch-Fock-Marathon in Wilhelmshafen, Deutschlands größter Marinestützpunkt. Bei strahlendem Sonnenschein und viel frischer Seeluft an der Nationalparkgrenze Wattenmeer zu laufen, ein wahrer Genuss. Auf der linken Seite Schafe, auf der rechten das Meer und den Wind immer im Rücken.

Hamburg:

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Streckenbesichtigung mit Horst Preisler und Hitzeschlacht beim Marathon.

Rheinland-Pfalz:

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„120 Kilometer und 3.300 Höhenmeter“ in goldenen Lettern auf schwarzem Shirt. Ein hartes Wochenende bei Bernhard auf dem ultra-schönen Saar-Hunsrück-Supertrail.

Hessen:

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Nicht den Frankfurt-Marathon in unserer Geburtsstadt haben wir uns für Hessen ausgesucht. Uns gefiel die Idee, beim ersten Hessentags-Marathon in Oberursel zu starten. Der Hessentag ist das größte Landesfest der Hessen. Nicht Ortsansässige können hier hessische Traditionen kennenlernen und gleichzeitig sich selbst zur Schau zu stellen.

Mecklenburg-Vorpommern:

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Von Hexenverfolgungen und Nächten auf der Burg und einem Marathon am und um den Tollensesee.

Saarland:

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Im Saarland wird gekanntlich „gudd gess“. Kein Zufall ist es da, dass man den Marathon in der Landeshauptstadt als Gourmet Marathon ausschreibt.

Baden-Württemberg:

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Der Hornisgrinde-Marathon versetzte uns in die Zeit Wilhelm Hauffs. Genau wie in dem Märchen „Das kalte Herz“ ist der Schwarzwald die Kulisse für Zauberei und Magie, dunkle Geheimnisse und schreckliche Verbrechen und Sinnbild einer mächtigen, mitunter übermächtigen Natur.

Bayern:

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Erfüllte uns das Klischee des weiß-blauen Himmels und der Panorama-Marathon das der schönen Berge und des guten Essens.

Und dann waren da noch Berlin:

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40.000 Läufer und wir dazwischen. Zur Belohnung gab es die berühmte Currywurst von Konnopke´s Imbiß, bevor wir

in Bremen

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durch das Weserstadion zum Roland liefen… ja, das alles ist Deutschland.

Jedes Bundesland unterscheidet sich: In der Landschaft, in der Sprache, der Geschichte und dem Brauchtum. Die Reise führte uns über hohe Alpengipfel, durch dunkle Tannenwälder, zwischen lieblichen Weinbergen, über karge Heidelandschaften an eine typisch raue nördliche Küste. Weiter an großen Strömen entlang oder auch über sie hinweg durch große Städte oder kleine Orte. Vorbei an Domen, Burgen, Dörfern und Abteien. Als wir dann auch noch sagen konnten: „Am Ballermann geht die Sonne auf“ da hatten wir auch der Deutschen liebste Insel, das 17. Bundesland, Mallorca,erlaufen.

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Auch jeder Marathon hat sein eigenes Gesicht. Mal sind es handbemalte Startnummern, mal die unkonventionelle Art eines Veranstalters für die Unterbringung zu sorgen, oder einfach die ganz alten Traditionsläufe ohne viel Schnickschnack. Von allen diesen Läufen wurde hier immer aktuell berichtet. Wer nun meint, wir hätten kein schönes Zuhause, der hat sich getäuscht. Wir haben sogar ein sehr schönes Zuhause, nur ein wenig groß seit unsere Tochter ausgezogen ist , um sich an der großen weiten Welt zu versuchen. Dennoch halten wir es zuhause nicht lange aus. Schlimm genug, Tag für Tag, Stunde um Stunde vom Bürostuhl aus Schlachten zu schlagen, um anschließend völlig ausgepowert und müde auf der Couch zu landen. Aber am Wochenende, da zieht es uns raus. Wir müssen uns bewegen, wir wollen was erleben.

Wir sind nun am Ende unserer Marathon-Deutschlandreise angelangt. Vielleicht springt ja ein wenig unserer Freude am Laufen und Reisen vom Monitor aus auf euch hinüber. Die Neugier auf den nächsten Ort und den nächsten bevorstehenden Marathon bestimmt unser nächstes Ziel.