Andrea Helmuth

Andrea Helmuth

Bodensee Megathlon Radolfzell 2015

Nichts ist so spannend wie das Neue

 

Im Urlaub die Füße hochlegen? Geht gar nicht! Statt an meinen freien Tagen um die letzte freie Liege am Hotelpool zu kämpfen, probiere ich lieber etwas Neues aus. Damit meine ich nicht Rutschen auf der längsten Wasserrutsche der Welt oder Polospielen in Azerbaijan. Aber Megathlon, eine Art Moderner Fünfkampf. Machbar als Team, Couple oder wie ich alleine. Fünf verschiedene Arten um ins Ziel zu kommen. Aber wenn schon Triathlon mit seinen drei Disziplinen der Sport der Fleißigen ist, was ist dann erst der Megathlon mit seinen fünf Disziplinen? Ein Sport der Streber?

 

 

Die Vielfalt macht den Megathlon für die 284 Staffelstarter, der 33 Couple-Teams und die 71 Einzelstarter zum Jahreshighlight. Am Start sind Einsteiger, Ambitionierte und Prominente wie Kai Hundertmark, der Extrem- und Langstreckenschwimmer Christof Wandratsch, mehrfacher Welt- und Europameister und der ehemalige Ironman-Hawaii-Sieger Faris Al Sultan. Während sich die 5er-Staffeln die einzelnen Sportarten aufteilen, bedeutet das für die Einzelstarter, darunter auch 13 weibliche, in einem wie immer männlich dominierten Feld, fünf Disziplinen und 117 Kilometer hintereinander zu absolvieren. Dessen ungeachtet, länger als acht Stunden sollte keiner für 1,5 km Schwimmen, 46,7 km Rennrad fahren, 22,7 km Inlineskating, 36,4 km Mountainbiking und 10,0 km Laufen, brauchen, denn dann ist Ende und man wäre raus! Dies ist für mich eine kleine Schreckensvision und klingt nicht unbedingt nach purem Vergnügen, oder etwa doch?

Samstag // Pastaparty

Der Bodensee empfängt uns wellig. Die letzten Regenwolken haben sich verzogen dagegen bläst ein unangenehmer Wind. Noch ist nicht viel zu sehen, nur ein Schild steht am Weg: „MEGATHLON“. Wenige Schritte später Blumenbeete, Büsche, Rasen. Alles akkurat gestutzt, wie ein kleiner Park und Zelten ist heute erlaubt. Das große Festzelt in Radolfszell füllt sich, die Kuchen- und Waffelverkäufer haben allerhand zu tun, auf dem bestuhlten Gelände werden Nudelberge verdrückt. Viele stärken sich hier noch einmal oder provozieren eine kleine Ausrede dafür, warum sie in diesem Jahr wohl nicht so schnell vorankommen würden.

Sonntag // Einrichten der Wechselzone

Der Megathlon ist vor allem in Sachen Ausrüstung eine logistische Herausforderung. Die diversen Sportgeräte in der Wechselzone zusammentragen, dafür hat jeder seinen eigenen Plan. Der knappe Meter, mit meiner Startnummer markiert, ist für heute mein Reich und da kann ich mehr oder weniger machen was ich will. Mountainbike und Rennrad, Material da würde mancher Profi erblassen, wird abwechselnd auf der Stange am Sattel aufgehängt. Meine beiden schweren Aluminiummonster wirken unter den anderen Rädern wie die Methusalems der Drahtesel. Sie präsentieren sich in alter Takelage, ihre schwarzen Lackierungen weisen deutlich Altersspuren auf. Das sieht auch mein Wechselzonennachbar und beäugt mich kritisch. Sein Rennbolide und meine alte Dame passen wirklich nicht zusammen. Auch ich mustere seine Ausstattung und komme zu dem Ergebnis, meine schnittigen Speedskates passen auch nicht zu seinen Null-Acht-Fünfzehn Inlineskates. Das Sportlerleben ist hart. Weiter vorne ist eine (Be-)Herrscherin der Anordnung, meisterlich in der Disziplin. Jedes Teil hat seinen Platz. Sie schafft es, dass ich meine Ausrüstung, wieder und wieder, teils auch nur um Zentimeter verrücke. Nach einer halben Stunde sitze ich vor meiner geordneten Ausrüstung und bin ganz zufrieden. Die Räder sind aufgepumpt – das ist am wichtigsten. Die Sonnenbrille liegt im Helm auf dem Lenker des Rennrads, die Rennradschuhe stehen davor. Startnummernband und Radhandschuhe. Die Söckchen liegen auf den Skates und die Ellenbogen-, Knie- und Handgelenkschoner brauche ich auch nicht zum Radfahren. Vor dem Mountainbike habe ich meine Mountainbikeschuhe gestellt.

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Und dann noch das Essen während des Wettkampfs: Diesmal habe ich einiges mitgenommen nach der „Alles-Muss-Raus-Strategie“. Ich dachte eigentlich, die Sammelleidenschaft hört irgendwann auf. Eine große Küchenschublade ist mein größter Schatz. Darin bunkere ich alte Energieriegel und Energiegels. Inzwischen sind die meisten eine einzige miteinander verklebte Masse. Ein Gel oder Riegel herauszulösen, endet nur mit klebrigen Fingern. Aber Süßes gehört aufs Rad und irgendwann müssen die abgelaufenen Kalorien auch mal aufgebraucht werden und irgendwann ist dann halt jetzt. Neben allem stelle ich jetzt noch die Tasche mit der Wechselkleidung für danach. Ein persönlicher Helfer, der über die Logistik wacht wäre genial. Kurz vor acht Uhr. Jetzt gleicht die Wechselzone einem gut sortierten und aufgeräumten Schaufenster eines Sportgeschäfts.

Schwimmen // 1. Disziplin: 1,5 KM

Heute ist Warmbadetag. Das heißt, wie vor drei Wochen beim IRONMAN in Frankfurt, wieder nichts mit der hilfreichen zweiten Haut aus schwarzem Gummi. Ein Muss ist die Badekappe, erlaubt ist die Schwimmbrille. Wir stehen bis zum Bauch im Untersee des Bodensees.

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Es ist eine melancholische Stimmung, die mir eine Gänsehaut auf die Oberarme befördert und mich für einen winzigen Augenblick die Anspannung vergessen lässt. Bis gerade eben noch hat sich alles um die Ausrüstung, um das Wetter und den bevorstehenden Disziplinen sowie der Schwimmstrecke gedreht. Jetzt bleibt keine Zeit mehr noch länger darüber zu beratschlagen. Das Startsignal ist ertönt. Aufmunternder Beifall und Anfeuerungsrufe! Jeder der Teilnehmer hat seinen eigenen Umgang mit den Herausforderungen. Für einige Staffeln steht das Siegen im Vordergrund. Während der Erste noch torpedoförmig durch das Wasser schießt, rast der Zweite mit dem Rennrad auf der Rolle unter dem Team-Pavillon bereits virtuell die ersten Hügel rauf. Kräftig in die Pedale zu treten erzeugt nicht immer auch das Gefühl, gut vorwärtszukommen; ein Aufwärmprogramm für Fortgeschrittene. Voller Einsatz für den Teamsieg. Mein Experiment, überhaupt im Hauptfeld mit zu schwimmen, endet jedenfalls nach ungefähr acht Kraulzügen.

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Das Einzige was mir nach einigen Hundertmetern noch gelb entgegenstrahlt, sind die Markierungsbojen. Es erscheint mir, als käme ich überhaupt nicht von der Stelle. Bis dahin glaubte ich, ich wäre schon allein. Als sich vor mir mächtige weiße Waden hin und her bewegen. Als ich an der voluminösen Dame im kleinen Bikini vorbei schwimmen möchte, treten die Beine zur Seite aus. Sie sucht den Körperkontakt und tritt nach mir, tritt nochmal nach. Mein tiefer gelegter Blick durch meine dunkelgetönte Schwimmbrille blickt streng, sehr streng. Ruhig, ganz ruhig! Blubbere ich in eine Wasserblase. Mir fällt ihre rote Badekappe auf, die sie als Staffelteilnehmerin, vielleicht „the Fighting Oldies“, erkennen lässt. Für sie wird nach dem Schwimmen das Rennen bereits beendet sein, während ich noch einiges vor mir habe. Vielleicht, hatte sie Panik, gar Angst vor mir? Den Zorn lächle ich unter Wasser weg.

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Endlich! Klatschnass renne ich über die Zeitmatte in die Wechselzone, mein Name wird über den Lautsprecher angesagt. Ich bin freudig überrascht. Selten hängen so viele Räder noch in der Wechselzone wenn ich das Wasser verlassen habe.

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Das Gewässer hat wohl meinen Verstand ein wenig aufgeweicht, denn beim zweiten Blick erkenne ich, dass es sich bei den Rädern um die Mountainbikes handelt, die erst für die vorletzte Disziplin benötigt werden, Rennräder hingegen hängen nur noch vereinzelt. Das rückt die Tatsachen somit ins richtige Licht zurück.

Rennrad // 2. Disziplin: 44,5 KM / 530 HM

Nach dem Kampf mit den langsamen 1,5 Schwimm-Kilometern verfalle ich auf der ca. 15 Kilometer langen flachen Anfahrt bis zur ersten Steigung sofort dem Geschwindigkeitsrausch auf meinem Rennrad. Beschwingt überhole einen männlichen Athleten. Das ist allerdings oft ein Kunststück, denn dabei wird im männlichen Zentralnervensystem ein Reflex ausgelöst, gegen den alle anderen Verlockungen keine Chance haben. Ich bin erstaunt, der Schweizer wehrt sich nicht! Der „Lutscher“ hängt sich lieber hinten an und spart seine Kraft um es mir auf der ersten Steigung mit Seeblick auf den ca. 700 Meter hohen “Schiener Berg” so richtig zu zeigen. Ich schaue im hinterher – sein rotes Trikot hat sich mir in den Kopf gebrannt.

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Schnell bin ich von der wunderschönen Strecke so abgelenkt, dass ich die weiteren „Höhen und Tiefen“ nicht wirklich wahrnehme und mich schon wieder auf dem flachen Rückweg befinde. Angenehm bläst der Fahrtwind durch die Schlitze meines Sturzhelms und kühlt meinen gedankenschweren Kopf.

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Ich sinniere über die nächste vor mir liegende Distanz Inlineskating, als gerade jetzt, wie eine Fata Morgana ein Inlineskater neben mir aus dem Nichts auftaucht. Er ruft etwas zu mir herüber, ich kann es nicht verstehen, seine Worte hat der Fahrtwind verschluckt. Wie schnell ich fahre, probiert er es noch einmal. Eine Schrecksekunde später rufe ich ihm zu: „35 km/h“. Mit gespannter Oberschenkelmuskulatur beugt er seinen großen, schlanken Körper noch tiefer und zieht vorbei, kurz darauf ist er weg. Sicher gehört er zum Team „Ärzte ohne Bremsen“. Ein zweiter Speedskater zieht es vor, meinen, wenn auch kleinen, Windschatten für die letzten etwa sechs flachen Kilometer zu nutzen. Er ruft mir nach: „Danke fürs mitnehmen und viel Erfolg“. Für ihn ist das Rennen hier vorbei, er übergibt seinen Zeitchip an den nächsten Teamstarter. Ich kann nur hoffen, dass sein Team-Name nicht „Kehrwagen Express“ lautet.

Inlineskating // 3. Disziplin: Relativ flache 22,7 KM / 92 HM

Die ersten Schritte auf den schmalen Skates sind aufrecht, staksig, kippelig, alles andere als flüssig. Die Zehen krallen sich in das harte Fußbett meines Carbon Schuhs. Was unterscheidet aber schnelle Skater von langsamen? Auf jeden Fall schon mal die gebückte von der aufrechten Fahrhaltung. Klar. Weiß ich! Aber ich habe nun mal zum Teufel: RÜCKENSCHMERZEN!

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So versuche ich mich bei jeder mir bietenden Gelegenheit zu strecken. Mist! So komme ich nicht vorwärts. Ich nehme mir vor das Ziehen im Rücken zu ignorieren und das funktioniert. Auf der gesperrten und breiten Straße geht es, dank gebückter Haltung nach vorn und einer tiefen Beugung der Knie, bald schnell und zügig voran. Nach einigen Kilometern tänzelt vor mir einer wie Fred Astaire auf Rollen umher. Um vorwärts zu kommen ist jedoch nicht tänzeln angesagt, besser wäre ein Schritt links, ein Schritt rechts, dann gleiten. Ich erkenne das rote Trikot des Schweizers! Tja mein Lieber, da bin ich wieder, dein aussortiertes Überbleibsel.

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Diesmal hat er keine Chance! Ich rolle stromlinienförmig über den nunmehr schnurgraden und brettflachen Asphalt. Ich überhole staunend blickende Genussradler, die zuhauf hier auf den Asphaltbändern, die eigens für Radler rund um den Bodensee gelegt wurden, unterwegs sind. Für einige geht das Dank geladenem Akku relativ zügig und ohne Schweiß. Anders als bei dem Skater gerade vor mir. Der Schweiß strömt ihm unter dem Helm hervor.

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Bald erreiche ich die Stelle, an der mich noch auf dem Rennrad sitzend, der Speedskater überholte. Hier ist die Strecke bügelglatt. Nach 67 Minuten und 22 Skate-Kilometern in der Mittagshitze, sitze ich auf einer Bank und versuche meine geschwollenen Füße aus den spanngurthaften Befestigungen, wie man sie von Dachgepäckträgern kennt, zu befreien. Es ist der letzte erholsame Augenblick für die nächsten Stunden. Meine eingeduselten Füße fühlen sich an als würden sie jemand anderem gehören, die Gefühllosigkeit zieht mir jegliche Dynamik aus dem Körper. Verspürte ewig lange Sekunden später eiere ich auf Socken und alles andere als Leichtfüßig mit den Inlinern unter dem Arm nun zum dritten Mal über die Zeitmessmatte hinunter zur Wechselzone. Die Zuschauer klatschen, ich bin mir nicht sicher, ob sie dies aus Mitleid tun. Schon steht der nächste Härtetest an bei dem sich das nun noch verbliebene Power der Beine völlig entfalten muss.

Mountainbike // 4. Disziplin: Technisch leichte 36,4 KM und 501 HM mit zwei knackigen Anstiegen

Ich streife die Knie-, Ellenbogen- und Handgelenksschützer ab. Tausche meine acht schmalen 100 MM-Rollen gegen zwei breite Stollenreifen aus. Kurz darauf sitze ich zum zweiten Mal auf dem Sattel. Ich frage mich ernsthaft, wie sollen meine Beine nach mittlerweile 3,5 Stunden jetzt noch PS auf den Schotter pressen? Während man sich beim Rennradeln über Schlaglöcher, Sand und Steine ärgert, gehören sie beim Mountainbike einfach dazu. Spätestens jetzt spaltet sich das Teilnehmerfeld in zwei Lager.

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Während asphaltverwöhnte Rennradler klagen, sind passionierte Mountainbiker in ihrem Element. Konditionell herausfordernd. Das Fahren wird anspruchsvoller und ist teils nur noch in Schrittgeschwindigkeit möglich, dies ist aber gar nichts im Vergleich zu der Kletterei, die folgt. Mein Hinterreifen dreht durch, der Schotter spritzt – ein wenig zumindest. Kurbeln und bloß die Ruhe bewahren!

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Je steiler es hinaufgeht, desto mehr sinkt die Tachonadel. Ich krieche ich mit 4,5 km/h den steilen Hang hinauf, jede Kurbelumdrehung eine Qual. Meine Hände kleben am Lenker, meine Arme verkrampfen, ich rutsche nach vorne auf die Sattelspitze nur damit das zickige Vorderrad auf der rumpligen Schotterpiste nicht abhebt. Ich taxiere die Lage. Wenn überhaupt, dann hilft nur mehr rennend schieben. Beim Schieben zum letzten und steilsten Anstieg entstehen Freundschaften. Mit sich selbst und anderen. Während ich mein schweres Mountainbike hochdrücke lese ich auf dem Tacho 3,5 km/h. Die Kraft reicht – nur wenige Minuten sind seit den fatalen Höhenmetern vergangen.

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Auch die letzte Steigung ist genommen – Bergfest. Nach der Freude folgt die Ernüchterung: Ein steil abfallendes Meer aus Geröll liegt vor mir. Kleine und große Steine recken ihre Spitzen in die Höhe, ein Krankenwagen wartet unten auf meinen oder den Sturz anderer. Große Steine zwingen zur Konzentration. Ein kräftiger Schluck warmes Iso aus der Flasche und ich klicke wieder in meine Pedalen. Immer wieder zwingen mich die Bodenunebenheiten, Kurven und Engpässe zum Abbremsen, immer wieder ärgere ich mich über meine mangelnde Vorbereitung, auch wenn die Mountainbike-Strecke keine Singletrails enthält und überhaupt gut fahrbar ist. Mental schwanke ich ständig zwischen „auf dem Gas bleiben“ oder abbremsen. Erst als ein weiterer Teilnehmer auf dem Mountainbike an mir vorüber donnert und mich in eine Sandwolke hüllt, ist mein Ehrgeiz geweckt. Ich halte für einen Moment den Atem an, suche nach meinem verlorenen Rhythmus.

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Der Typ vor mir lässt es krachen. Es scheint als seien die Wurzeln und Steine auf dem Weg für ihn gar nicht vorhanden und das versuche ich auch. Auch auf dieser Strecke sind die letzten ca. 10 Kilometer flach. Jetzt kann ich schon dem Laufen Entgegenfiebern. Ein letzter Kreisverkehr, noch ein paar kräftige Pedaltritte und schon mahnen mich die Helfer zum Abbremsen. Ein beherzter Griff in die Bremsen, mein Mountainbike steht. Die Absperrung ist von Zuschauermassen umrahmt. Eilig schiebe ich mein Mountainbike über die Zeitmessmatte, zum vierten Mal wird meine Zeit erfasst. Chaos dehnt sich aus. Nur meine beiden Räder hängen nun wieder an ihrem Platz, die Inliner liegen irgendwo zwischen Rennradschuhen und Mountainbikeschuhen. In die vor Stunden noch gut sortierte und aufgeräumte Wechselzone ist quasi die Bombe eingeschlagen. Auf das Chaos schleudere ich noch meinen Helm und die Radhandschuhe. Gleich platzt die Chaosbombe in der Wechselzone. Von dort rollen die Detonationswellen über den eingezäunten Bereich. Irgendwie habe ich das Gefühl, mich mitten im Epi-Zentrum zu befinden. Zwischen PowerBars, Wasserflaschen, Radschuhen und Fahrrädern ziehe ich meine farbenprächtigen Laufschuhe hervor. Von irgendwo klingen hektische Wutattacken zu mir herüber.

Laufen // 5. Disziplin 10,0 KM (2 Runden) / 40 HM

Ahhh! Was für eine Wohltat. Nach Stunden der Unterdrückung durch die unterschiedlichsten Schuhmodelle dürfen sich meine malträtierten Füße jetzt endlich in die bequemen und leichten Laufschuhe entfalten. Die Muskeln sind warm, Sehnen und Bänder sind noch außerordentlich beweglich. Meine Beine spüren die bereits zurückgelegten Kilometer noch nicht. Müdigkeit? Auch noch nicht. Keine Stunde und zehn Kilometer später und das Ding ist im Sack. Was soll jetzt noch schiefgehen?

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Touristenmassen – gerade der Bahn entkommen – ergießen sich über die Laufstrecke Richtung Uferpromenade. Ich kämpfe mich durch die träge Masse von Fußgängern. Fassungsloses Kopfschütteln, deren Nerven sind angespannt. Einige klatschen uns zu, die meisten wollten aber doch nur die Aussicht auf den Bodensee genießen, sich vielleicht ein Tretboot teilen oder am Strand räkeln. Stattdessen rennen wir dazwischen, hecheln auf gleicher Spur auf ihren Wegen und teilen uns den Duft der Pommes Bude vom Bahnhof.

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Mit jedem Schritt freue ich mich auf den Zieleinlauf und den Abschluss des Rennens, das tatsächlich gleich zu enden scheint. Mit Ansage und Applaus wird jeder Ankommende im Ziel begrüßt. Doch das Hochgefühl lässt auf sich warten, die Wassermelone ist einfach zu gut. Ein Blick auf die Ergebnisliste: Platz 5 AK. Sei´s drum: Der beste Teilnehmer aber ist der, der am meisten Spaß hatte und das hier, das hat so richtig Spaß gemacht und erneut regt sich die Sehnsucht nach ähnlichen Herausforderungen in mir. Erst jetzt begreift der Körper so richtig, dass er sich nun ausruhen darf.

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Informationen

Detaillierte Auskünfte zu den Staffeln, Disziplinen und den Streckenverlauf gibt die Internetseite http://www.megathlon.de