Andrea Helmuth

Andrea Helmuth

Spreewald Marathon 2012

Speed Dating

 

Uns überrascht eine Pressenotiz: „Die Lausitz ist als Landstrich der harten Kerle und knackigen Frauen bekannt“. Nicht nur Männer reizt die Abwechslung oder das kleine Abenteuer, auch Frauen gehen fremd – viel öfter, als man denkt.

 

 

 

 

 

Nicht nur ich stehe dazu. Die Gründe und Motive für das Fremdgehen sind unterschiedlich: Verletzung, fehlende Abwechslung, Monotonie. Das alles schon zu Beginn des Frühlings? Was wird nun aus der Laufsaison? Die Leistung ist wie festgefahren weil einfach der „Kick“ fehlt?

Genau aus diesem Grund setzen wir an diesem Wochenende auf neue Trainingsreize. Die Möglichkeit dazu bietet uns der Abenteuer-Parcours „Spreewaldmarathon“. Wie bei einer Partnervermittlung können wir da für uns das Richtige auswählen. Im Internet konnten wir uns bereits über das große Angebot informieren. Sechs völlig unterschiedliche Profile, an verschiedenen Orten und jedes in einer anderen Größe. Die Hauptattraktion ist und bleibt auch beim Spreewaldmarathon die Gurke. In Gold, Silber oder Bronze. Welche der gusseisernen Medaillen man jedoch erhält, ist abhängig von der Strecke. Und diese gibt es von XS bis XXL. Wer da nicht sein Glück findet.

Wir können uns nicht entscheiden, die Auswahl ist groß. Wir versuchen es mit „Speed-Dating“. Das bedeutet, in einer sehr kurzen Zeit wird oft von einem zum anderen gewechselt. Hier wird alles geboten: Von Freitag bis Sonntag wird auf insgesamt 25 Strecken und in 38 Wettbewerben gelaufen, geradelt, geskatet, gewandert, gewalkt und gepaddelt. Der Höhepunkt kommt nach einem langen und anstrengenden Vorspiel: Der Marathon am Sonntag.

Wir kommen immer schnell auf den Punkt. Bereits 2011 liefen wir den Spreewaldmarathon im Zuge unserer Bundesländer-Marathonläufe. Den Bericht findet ihr auf marathon4you.

Nicht nur Kay schielte damals schon nach der Unbekannten und Fremden und so mussten wir einfach wieder in den Spreewald kommen. Völlig unerfahren und unschuldig lassen wir uns auf so manche Neubekanntschaft ein, die selbst bei unserer glücklichen Läuferkarriere zum Seitensprung beiträgt. Lest alles über den Austragungsort, die Wettkampfstätten und natürlich das Ringen um die (Gurken)-Medaillen.

Speed-Dating an drei Tagen mit vier „Typen“: Paddeln, Laufen, Rennrad, Skates

Die Herausforderung beginnt schon bei der Abholung der Startunterlagen. Die Unterlage erhält man am jeweiligen Austragungsort des Wettkampfes. Uns bleibt nur Bewunderung für die logistische Höchstleistung des Organisations-Chef Hans-Joachim Weidner: Fünf unterschiedliche Anmeldeorte und insgesamt 10.060 Sportler auf allen Strecken wollen eine Startnummer hier beim Sportfestival. Wir sind gespannt, ob unsere Unterlagen dort sind, wo wir sie erwarten und das auch noch zur genannten Uhrzeit. Aber die Organisatoren des Spreewald-Marathon e.V. sind keine Neulinge. Zum 10. Mal organisieren sie mit viel Engagement die größte Breitensportveranstaltung des Landes Brandenburg und so klappt jede Abholung reibungslos.

Hier treffen Norddeutsche auf Süddeutsche, Niederländer auf Engländer. Für viele die hier starten, stehen nicht Zeiten und Ränge im Mittelpunkt, sondern das Neue, das Besondere, das Abenteuerliche, die gemeinsamen Erlebnisse mit der gesamten Familie oder Freunden, der eindrucksvolle Spreewald und der olympische Gedanke: „Dabei sein ist alles“.

Freitag: 42 Kilometer Marathonpaddeln

Wir wagen heute unsere außergewöhnliche Expedition durch das Spreewalddelta mit seinen 1000 Kilometern verzweigtem Gewässernetz des UNESCO Biosphärenreservates. Rund um und an der Spree gedeihen ungefähr 18.000 Pflanzen- und Tierarten, von denen jedoch erst ein Bruchteil erfasst wurde. Dazu gehören viele bekannte und geschützte Arten wie See- und Fischadler, Schwarz- und Weißstorch, Eisvogel, Wiedehopf, Kranich, Fischotter und Biber. Zusätzlich vermehrt sich ebenfalls bestens eine farbenfrohe Spezies: die Kanuten.

Wir stürzen uns in unsere erste Affäre. Der Kick des neuen reizt. Paddelstrecken ohne Zeitnahme und eine Paddelstrecke mit Zeitnahme werden angeboten. Die Auswahl ist groß, die Ahnung klein. Einfach Lospaddeln? Um möglichst viele Disziplinen an einem Wochenende zu meistern, entscheiden wir uns für eine Paddelstrecke ohne Zeitnahme, da man diese bereits am Freitag absolvieren kann.

Ohne auch nur zu ahnen, wie lange wir dafür brauchen werden, nehmen wir uns leichtsinnig, die 42 Kilometerstrecke vor, denn eine Marathondistanz sollte an diesem Wochenende wenigstens dabei sein. Vom Triathlon sind wir es gewöhnt, mit der feuchten Disziplin zu beginnen: Schwimmen können wir und Angst vor kaltem Wasser haben wir zum Glück auch nicht. Was uns fehlt, ist die Kraft in den Armen. Besonders hier beim Kajakwandern auf dem langsam fließenden Zahmwasser, ist auch eine gewisse Ausdauer gefordert – schließlich müssen wir den Vortrieb einzig mit den Armen erarbeiten. Jedoch schonen wir so die Beine für die nächsten Disziplinen.

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Am Bootshaus Leineweber in Burg erhalten wir die Startunterlage und den Startstempel auf der Kontrollstempelkarte. Vier Kontrollstellen müssen auf der längsten Tour angepaddelt werden. Ein Boot zu mieten ist nicht so einfach. Kajak, Paddelboot und Kanu, das ist hier die Frage? Wir entscheiden uns für ein 2er Kajak, auch Sportpaddelboot genannt. Jedoch sieht unser Wassergefährt nicht aus wie ein Sportpaddelboot, eher wie eine große grüne Plastikgurke.

„Wie, ihr seid noch nie gepaddelt? Was, Anfänger! Na, da habt ihr euch ja was vorgenommen“. Die Theorie der Paddeltechnik im Kajak ist verstanden: Es wird mit einem Doppelpaddel mit Blickrichtung nach vorn gepaddelt. So aufgeklärt freue ich mich auf die romantische Spreewaldlandschaft mit trauter Zweisamkeit und Momenten des Glücks.

Vorsichtig steige ich in unsere Gurke

Die Gesetze der Schwerkraft zwangen schon so manchen Paddler zu waghalsigen Unterwasser-Stunts. Verdammt tief sitze ich auf dem harten Plastiksitz. Schließlich ist es soweit, wir sind unterwegs. Ich blicke aufs Wasser. Meine Miene noch aufgeregt angespannt, die Arme ständig in Bewegung. Auch der Teufel spannte eines Tages seine Höllenochsen vor einen Pflug. Diese waren stur, so wie Ochsen eben sind, und bewegten sich keinen Meter vorwärts. Darüber geriet der Teufel in Zorn und trieb die Viecher kreuz und quer über das Ackerland. Das Feld war völlig zerstört. In den verbliebenen Rinnen füllte sich bald Wasser und der Spreewald entstand.

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Hier im Unterspreewald Lübben soll die Spree 4,00 bis 7,00 Meter tief sein. Die Hauptquelle der Spree liegt im Lausitzer Bergland, nahe der Grenze zu Tschechien. Sie durchquert die Heide- und Teichlandschaft zwischen Bautzen und Spremberg, fließt durch Cottbus und Lübben und führt weiter über Beeskow und Fürstenwalde nach Berlin.

Wir sind im Leineweberfließ. Unzählige Verästelungen, viel Grün, spreewaldtypisch Häuser und es herrschen Ententeichbedingungen. Wir müssen nicht gegen den Strom paddeln aber auch kaum mit ihm. Nur mittels kräftiger Vorwärtspaddelschlagtechnik legen wir lange Strecken geradeaus zurück. Aber aufgrund der nicht vorhandenen Paddeltechnik schaufle ich mir mit jedem Zug Wasser ins Boot. Gleich ist mein Hinterteil völlig durchnässt und ich hocke für Stunden in der nassen Brühe.

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Angst, uns im Fließlabyrinth zu verirren, brauchen wir nicht zu haben, denn die Wasserwege sind ausgeschildert. Gleich beginnt der erste schwierige Teil der Expedition: ich paddle in die erste Schleuse. Hinter mir schließen sich die Tore, das Wasser fließt sprudelnd ein, der Höhenunterschied wird ausgeglichen. Natürlich müssen wir die Schleusen in Selbstbedienung betreiben und so sammele ich beim Ausfahren aus der Schleuse Kay wieder auf. Vielleicht sind wir aber schneller, wenn wir das Boot aus dem Wasser heben und um die Schleuse herumtragen und auf der anderen Seite wieder einsetzen? Tatsächlich passieren wir an einer anderen Stelle eine Schleuse, wo wir das Boot über Rollen ziehen können. Eine angenehme Erfindung.

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Nach dieser Zeitverzögerung versuchen wir möglichst schnell wieder Fahrt aufzunehmen. Immerhin, wir überholen eine schwimmende Ente, die sich lautstark darüber beschwert, auch eine kleine Schlange nimmt vor uns Reis aus. Spätestens jetzt, hier an der Kurve sind unser Gleichgewichtssinn und unsere Beweglichkeit gefordert. Wir paddeln rhythmisch und synchron, ein paar Singvögel sind schon auf. Urlaub für die Seele. Richtig entspannen, Stress abbauen, den Kopf frei bekommen, neue Kraft schöpfen – so hatte ich mir das hier vorgestellt.

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Bei der Kilometermarke 17 sind wir am denkmalgeschützten Museumsdorf Lehde. 47 Gehöfte mit den spreewaldtypischen Holzhäusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert sind hier zu sehen. Seit mehr als 100 Jahren gehört der Post-Kahn hier zum Alltagsbild und selbst die Müllabfuhr kommt mit dem Kahn. Theodor Fontane nannte das Dorf „Lagunenstadt in Taschenformat“.

Wir passieren das Freilichtmuseum, in dem sich das „Dreigenerationenbett” befindet. Heiratet ein Paar, dann dürfen die beiden in den ersten 4 Wochen auf dem Heuboden schlafen, bevor sie zu den Eltern/Schwiegereltern ins Bett umziehen müssen. Dort wird ihnen Platz gemacht von den Großeltern, die ihrerseits nun das Bett räumen müssen, um aufs Altenteil zu gehen. Der zukünftige Nachwuchs schläft in den Schubladen, die abends unten aus dem Bett herausgezogen und zu Kinderbetten umfunktioniert werden. Noch Fragen?

Sonnenlicht fällt durch die Baumwipfel, für einen Moment kann ich die Romantik des Spreewaldes erahnen. Immer wieder paddeln wir unter Brücken für Fußgänger oder Radfahrer durch.

Nur eine Saisonehe

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Weißes Federkleid und schwarze Schwungfedern, die Beine und der Schnabel feuerrot. Das Storchenpaar hat sich lange nicht mehr gesehen und fällt übereinander her und lässt sich auch von uns nicht stören. Obwohl sie ein Leben lang zusammen bleiben, führen sie nur eine „Saisonehe“. Im Herbst fliegt jeder wieder seines Weges und im nächsten Frühjahr treffen sie sich wieder hier auf dem gleichen Strommast in ihrem Horst.

In Lübbenau erreichen wir das Zentrum des Spreewalds. Die große Stadt ist auch eine Stadt der Gurken und mit einer über 100 jährigen Tradition. Auch wenn 1812 (KM 18) Napoleons Truppen Standquartier nahmen, paddeln wir weiter. Vom Wasser aus sieht die Spreewaldstadt ganz anders aus und wir erleben die Anziehungskraft dieser Gegend von der 45 Jahre später schon Fontane schwärmte: „und dass dem Netze dieser Spreekanäle nichts vom Zauber von Venedig fehle, durchfurcht das endlos wirre Flussrevier in seinem Boot der Spreewald-Gondolier“.

Paddeln auf Leistungsniveau

Paddeln auf Leistungsniveau sieht anders aus und fühlt sich ganz klar auch anders an. Da fällt mir die 27-malige Weltmeisterin und Rekord-Kanutin Birgit Fischer ein. Die Brandenburgerin nahm insgesamt an sechs Olympischen Spielen teil und gewann insgesamt zwölf olympische Medaillen, davon achtmal Gold. Dies brachte ihr einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde ein. Mit 50 Jahren wollte sie ein Comeback bei Olympia starten. „Muss das sein, 32 Jahre nach ihrem ersten und acht Jahre nach ihrem letzten von acht Olympiasiegen? Kann sie ihr Alter nicht akzeptieren?“ fragten die Kritiker. Ich kann an dieser Idee nichts Verwerfliches finden, im Gegenteil, beweist es doch, dass man mit 50 nicht zum „alten Eisen“ gehört. Dann die schockierende Nachricht: Ein Arzt hat ihr das Paddeln im Wettkampftempo verboten.

Auch bei mir wurden bei einer Routineuntersuchung vor zwei Jahren Herzrhythmusstörungen diagnostiziert. Sofortiges und komplettes Sportverbot war die Diagnose. Es folgten unzählige Belastungs- und ein Langzeit-EKGs und dann die unvermeidbare Operation. Da die Zahl der „reiferen (Leistungs-) Sportler“ stetig steigt, beschäftigen sich mittlerweile zum Glück immer mehr Ärzte mit diesem Thema. Mir geht es heute wieder besser, denn bei mir wurde keine bedrohliche Form der Herzrhythmusstörungen festgestellt. Dennoch ist körperliches Ausdauertraining die beste Vorbeugungsmaßnahme gegen Erkrankungen. Und die Seele hat ja schließlich auch ein Wörtchen mitzureden.

Kilometer 21

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Ein beinahe Zusammenstoß mit einem traditionellen Spreewaldkahn lässt mich wieder aufs Paddeln konzentrieren. Holen wir uns die erste Medaille des Wochenendes bei diesen Spielen. Jetzt ist uns Silber schon mal sicher, aber wir wollen mehr. Wir wollen Gold und das bedeutet nochmal 21 Kilometer. Pause? Mittagessen? Kaffeevesper? Unmöglich! Etwa 4 Stunden gepaddelt. Hervorragend für die Stärkung der Oberarme. Ich spüre bereits den Muskelaufbau.

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Fährmänner starken die Gäste durch die Spreewaldfließe mittels einer langen Holzstange. Der Spreewaldkahn mit seinen blütenweiß gedeckten Tischen wird von so manchen auch als „Fleischdampfer“ bezeichnet. Schon wieder müssen wir warten. Spreewaldkähne haben immer Vorfahrt, auch an Schleusenanlagen. In der Ausschreibung konnte man nachlesen: „Die Strecken können auch auf mehrere Tage verteilt werden man muss nur Kontrollstempel sammeln, dies kann man bereits ab Ostern tun!“ Nun weiß ich, auch warum. Habe ich vielleicht ein größeres Stück abgebissen, als ich kauen kann?

Der perfekte Seitensprung bedarf einwandfreier Planung und eines wenig zimperlichen Gewissens. Vor allem sollte man seine Emotionen im Griff haben. Ich beiße mir auf die Zunge, fast wäre mir ein Beziehungskillerwort herausgerutscht – ich muss mich zusammenreisen, schließlich sitzen wir im selben Boot.

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Mittlerweile sind meine körperlichen und emotionalen Reserven auf dem Tiefpunkt. Ich bin verwundbar und dann ist da noch die traurige Tatsache, dass es auf fast jedem Kilometer ein Café mit Anlagestelle gibt. Kurz vor dem physischen Zusammenbruch fokussiert das Kleinhirn tatsächlich nur noch zwei Themen: Kaffee und Kuchen. Sonstige Ansprüche werden ausgeblendet.

Ein Angler am Ufer hat auch nur kleine Ansprüche und erinnert mich an die Sage vom Fischmann. Er sitzt am Ufer und versucht, Kinder mit einer Keule zu erschlagen, diese sollten also Abstand halten. Neugierige Menschen, die nach seinen Seerosen greifen, versucht er hinunter in sein Reich zu ziehen. Dieser Wassermann kann Fluten und Stürme heraufbeschwören und die Feuchtwiesen des Spreewalds überschwemmen. Dann werden die Körper der Ertrunkenen von den langsam fließenden Gewässern schnell von Schlamm überzogen, sodass sie oft nie wieder gefunden werden. Man erzählt sich aber auch, dass der Wassermann sie verschlingt und ihre Seelen unter Tontöpfen gefangen hält. Es wird Zeit ins Ziel zu kommen bevor ich auch noch phantasiere.

„Panta rhei – Alles fließt“

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Wusste auch schon Heraklit, der griechische Philosoph. Hier fliesst gerade nichts mehr, höchstens meine Tränen, denn nun auf den letzten Kilometern kommt zu der Kälte auch noch die Gegenströmung. Die Stimmung an Bord ist düster. Der Himmel ist es auch, fast schwarz. Auf dem spiegelglatten Wasser bilden sich Kringel. Immer mehr. Nein, es sind nicht die Luftblasen vom Hecht, Karpfen, Wels oder Zander. Es beginnt zu regnen. Romantisch? Irgendwie schon. Die Landschaft ist schön, aber es ist kein Licht mehr für gute Bilder.

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Bei Kilometer 38 passieren wir das Scheidungsfließ. Zufall? „Eine Bootsfahrt, die ist lustig, eine Bootsfahrt die ist schön…“ Jedoch nicht mehr nach über acht Stunden. Was wir hier aus „Spaß“ betreiben, war früher Alltag. Die Bauern nutzten den Kahn, um ihre Wiesen und Felder im Spreewald zu bewirtschaften, die nur über den Wasserweg zu erreichen waren. Auf ihren Kähnen haben sie fast alles befördert: die Ernte, Tiere und Baumaterialien und Särge. Bei niedrigen Wasserständen wurde der Kahn auch schon mal gezogen.

9 Stunden und 13 Schleusen

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Nach 9 Stunden und 13 Schleusen ist unsere Jubiläums-Kahnfahrtidylle beendet und wir haben echtes „Spreewaldgefühl“ in grüner Unendlichkeit erlebt. Noch völlig schwankend steige ich frierend und mit Schwielen an den Händen aus dem Kanu. Wir erhalten die Gurkengoldmedaille. Andere Paddler schauen ungläubig. „Was mit dem Kanu seit ihr 44 Kilometer gepaddelt?“ Völlig verrückt. „Ach so, ihr seid Marathonläufer, na dann“. Dass wir uns um zwei Kilometer irgendwo verpaddelt haben, verschweigen wir. Die erste knackige Spezialität in Form der gusseisernen Gurke ist hart verdient.

SAMSTAG: 110 Kilometer Rennrad

Leid und Plünderung verwandelte Lübben zwischen 1642 und 1644 in eine unbewohnbare Stadt. Den Bewohnern blieb nichts anderes übrig, als sich in die Unweiten des Spreewaldes zu flüchten, denn dort hinein wagten sich die fremden Söldner und Truppen nicht. Und wir seit gestern auch nicht mehr.

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Gut, dass wir heute nach einer kurzen und schmerzvollen Nacht im Startbereich einer Radtourenfahrt, einer sogenannten RTF, stehen. Mit uns hunderte geölte Beinpaare. Rennräder rot-silbern, schwarz-weiß, mit Gelsattel oder aus Karbon, manche mit einem eigenartigem Design, wie plötzlich hergezaubert oder wie die Vorboten einer Invasion von einem anderen Stern. Pedalritter mit Karbon-Rössern, die plötzlich von überall auftauchen und wir mittendrin. Trainingsfaul aber voller Selbstbewusstsein sind wir in dieses Wochenende gestartet. Herzlichen Glückwunsch zu so viel Dummheit!

Rennradfahren ohne vorheriges Training war so nicht geplant. 200 Kilometer sind für uns momentan zu lang, 20 Kilometer zu kurz, 110 Kilometer hoffentlich ideal. Jetzt wird sich zeigen, ob wir die Muskeln über einen derart langen Zeitraum konservieren konnten. Unsere letzte Radausfahrt war 2010 beim Frankfurt IRONMAN. Wir hatten einfach keine Verlangen mehr aufs Radeln und so verschwanden die Räder in der Garage und werden heute erstmals wieder in Dienst genommen. Unglaublich, wie die Zeit vergeht.
Durch das stundenlange Paddeln hat Kay Oberarme wie Popeye und ich Oberarme wie Madonna: Knallhart, durchtrainiert, sehnig. Den Muskelkater versuchen wir zu ignorieren. Die Blasen an den Fingern und Händen kann ich nicht ignorieren.

4222 Sportler und Räder im Überfluss – die reinste Fahrradrevolution. Schon in den vergangenen Jahren waren die angebotenen Radtouren ein voller Erfolg. Kein Wunder, nicht nur 1000 Kilometer weite Fließe erstrecken sich hier, sondern auch 1000 Kilometer ausgebaute Radwege. Der Startschuss fällt und wir stehen noch an der Startnummernausgabe. Die Sonne hat doch viele Kurzentschlossene zur Schlossinsel getrieben.

Tour de France Stimmung am Start

Die Grenze zwischen Ober- und Unterspreewald bildet die Stadt Lübben. Die ersten Kilometer fahren wir noch auf einer stark befahrenen Straße bevor es merklich ruhiger wird. Ein paar Windräder schwingen ihre Flügel. Die Sonne scheint. Ich liege auf meinem Triathlon Lenker. Warum liege ich jetzt nicht auf der Couch oder bei einer Kosmetikbehandlung mit Spreewaldgurken?

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So ließe es sich einige Stunden länger aushalten. Schnell stellen wir fest, dass sich die Schönheit des Spreewaldes nicht nur zu Wasser erschließt, sondern auch eine „Radtour“ bestens geeignet ist, die Region zu erkunden. Wir fahren abseits der postkarten-verklärten Touristik-Route. Gemütlich draufliegen und mit den Beinen kräftig kurbeln. Das vertraute Gefühl kehrt zurück.

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Jedoch bedenklich, wie wir hier so Rumgurken. Da kommt eine große Gruppe durchtrainierter Rennradler an uns vorbeigezogen. Mein „alter“ Instinkt ist geweckt. Ich bin hellwach und erhöhe die Wattzahl über die Kurbel. Es funktioniert, ich bin dran. Lasse mich ziehen vom Windschatten. Es rollt und rollt. So könnte es stundenlang weitergehen. Nach und nach, wie beim „Belgischen Kreisel“ werde ich nach vorne durchgereicht.

Ein Typ im Hürzler-Trikot will nicht die Windarbeit für die anderen machen und schämt sich auch nicht, mich vorne an der Spitze der vielleicht 30 Mann starken Gruppe fahren zu lassen. Ich merke schnell, der hat bei Hürzler trainiert. Ich lasse mir keine Schwäche anmerken. Liege auf meinen Lenker auch wenn ich dadurch kein Windschattenspender für meinen Hintermann bin und trete rein. Der Tacho ist auf 36 und Kay hat es nicht bemerkt, denn er fotografiert von hinten die Gruppe. Lange halte ich das allerdings nicht durch und so bin ich auch froh, als wir an der nächsten Abbiegung nicht mehr wissen, in welche Richtung es weiter geht.

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Hier im flachen Land setzt uns der Wind kräftig zu, der natürlich immer nur von vorne weht. 47,5 Kilometer auf dem Tacho und wir haben uns verfahren. Der holprige Asphalt hat den bis dahin guten „Schnitt“ schrumpfen lassen. Also wieder zurück bis nach Alt Zauche, weiter nach Neu Zauche. Weithin sichtbar sind die strahlend weißen, hohen Türme der Dorfkirche von Straupitz. Karl Friedrich Schinkel erbaute diese 1827 bis 1832. Sie ist Baudenkmal von überregionaler Bedeutung.

Von Bedeutung ist jetzt für uns jetzt jedoch hier nur der Verpflegungspunkt mit Kontrollstelle. Es herrscht Urlaubsatmosphäre. Die Kalorienzufuhr kein Problem, denn die Auswahl ist reichlich. Neben der Gurke werden auch Wurstbrote, Käse- und Schmalzbrote angeboten. An einem Stand mit typischen Spreewälder „Plinsen“, die bei uns Eierpfannkuchen heißen, stehen viele an, hierauf haben alle Heißhunger. Die Fahrer des Rad-Marathons biegen hier auf die längere Strecke ab.

Paris/Roubaix

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Der Spreewald ist tatsächlich auch ein Radlerparadies: Topfeben, der Straßenbelag ist wie gebügelt. Nur einmal erinnert ein Stück an Paris/Roubaix. Aber auch dieses Kopfsteinpflaster ist schnell vergessen. Immer der Gurke nach. Wir befinden uns auf dem Gurkenradweg, dessen Länge circa 250 Kilometer beträgt, gekennzeichnet durch das Symbol der radelnden Gurke. Wir fahren vorbei an Schlössern, Kirchen, Heimatmuseen und Ausflugslokalen. Wir fahren weiter über Leibschel und Groß Leine. Immer wieder genieße ich das Tempo. Wie lange haben wir gestern für einen Kilometer gebraucht? Jetzt fliegen uns die Kilometer nur so um die Ohren.

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Wir fahren am Briesensee vorbei. Die Strecke ist verwinkelt. Wir erreichen den Erholungsort Burg, auch als „preußische Seele des Spreewalds“ bezeichnet. Denn schon im 15. Jahrhundert kam der Ort unter die Herrschaft der brandenburgischen Kurfürsten und später der preußischen Könige. Auf der linken Seite des Schlossberges steht der etwa 30 Meter hohe Bismarckturm. Das Denkmal entstand um 1916 und besteht aus 1,5 Millionen Klinkersteinen.

Wir rasen durch die flache Spreewaldlandschaft an Wiesen und Felder vorbei. Man muss nicht lange überlegen, um zu wissen, was hier angebaut wird. Natürlich vorwiegend Gurken und Meerrettich. Von weiten kann man sie schon sehen, die Slawenburg. Im frühen Mittelalter war die Niederlausitz überzogen von einem Netz kleiner ringförmiger Burganlagen. Sie ist originalgetreu nachgebaut und erinnert an eine heute weitgehend verschwundene Kultur.

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Der Spreewald war ursprünglich reines Sorbenland. Deutsche Siedler nannten sie „Wenden“. Über Jahrhunderte hinweg sind deren Sprache, Sitten und Bräuche bis heute erhalten geblieben. Worte wie Gurke und Quark wurden von der slawischen in die deutsche übernommen.

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Über die Orte Bischdorf, Boblitz, Klein Benchow erreichen wir unseren Ausgangsort Lübben. Glücklich oder nur zufrieden? Die Frage stellen sich viele Läufer, die seit einigen Jahren laufen, ihrem Lauftreff möglicherweise immer treu gewesen sind – und plötzlich stürzen Sie sich in eine Affäre. Jetzt auf dem Rad merkte ich wieder, was ich entbehrt habe. Lang vermisste Gefühle, die längst verschüttet geglaubt waren, tauchten wieder auf: Gefühle wie Gegenwind, die Freude, Neues und doch Vertrautes zu entdecken.

Tour de France Stimmung im Ziel

Und wo die Tour de France ist, da ist auch Didi Senft. Der Teufel fehlt bei keiner Tour de France und schwingt nun heute hier seinen Dreizack, als wir über die Ziellinie fahren. Eine Frau mit einer großen Haube der sogenannten „Lapa“ und in sorbisch/wendischer Tracht hängt uns die bronzene Gurke am giftgrünen Band um den Hals. Krumm wie die Gurken-Medaille, steige ich von meinem Rennrad.

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Hunderte von Menschen sind schon auf der Schlossinsel. Die Atmosphäre gleicht einem Stadtfest, nur sportlicher. Viele liegen in der Sonne auf dem Gras. Andere bedienen sich am Gurkenbüfett oder lassen sich die Beine massieren. Unsere ausschließlich über das Laufen aufrechterhaltene Kondition hat auch für’s Rennradeln ausgereicht. Immerhin für 122 Kilometer und noch einen knappen 30er Schnitt. Was will man mehr?

Bis zur nächsten Gurkenverleihung, dem 5 Kilometer Nachtlauf, bleiben uns noch ein paar Stunden. Zuvor müssen wir unsere Startunterlagen in Burg für den Nachtlauf und das morgige Skaten abholen.
Es ist mittlerweile kurz vor 17:00 Uhr, wir sind in Burg und nun fällt gleich der Startschuss für den 42 Kilometer Skatemarathon, den wir uns natürlich interessiert ansehen wollen. Ganz vorne an der Startlinie sehe ich Claudia Pechstein. Mit ihren Oberschenkeln hebt sie sich von den anderen Mädels ab. Aber auch sie klagt über Schmerzen an den Füssen in den eng geschnürten Skaterschuhen.

Samstagabend: Jubiläums Nachtlauf

Gleich beginnt der Start in unserer momentanen Lieblingsdisziplin, dem Laufen. Wenn auch nur über 5 Kilometer! Es ist Neumond in Burg. Und um 20:30 Uhr heißt es: „Auf die Gurke, fertig, los“ Jedoch ohne Zeitnahme. So begeben sich Hund, Katze, Maus, einfach alles was aktiv sein will, auf die 5 Kilometer lange Strecke. Die Lichter der Stirn- und Taschenlampen sehen aus wie Glühwürmchen an der Spree.

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Die Glühwürmchen laufen nun über eine Brücke, dessen Holztreppe mit Fackelschalen beleuchtet ist. Die örtliche Feuerwehr ist für die bunt beleuchteten Wasserspiele zuständig. Immer wieder werden wir von einem Feuerwerk begleitet. Die Lust am Laufen kommt zurück.

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Die Strecke ist kurz und bis der Durst kommt, ist schon alles vorbei. Der erstmalig in das Programm aufgenommene Nachtlauf ist ein echtes Highlight des diesjährigen Jubiläums. So kurz wie der Lauf, so klein ist auch die Medaille – mehr so ein Cornichon. Dies grüne Gürkchen lässt unseren persönlichen Medaillenspiegel wachsen und das Feuerwerk der Superlative bildet einen schönen Abschluss am heutigen sportlichen Samstag.

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Bis morgen, dann geht’s sportlich weiter.

Sonntag: Skater-Halbmarathon

„Singen die Buchfinken früh vor Sonnenaufgang, künden sie viel Regen an“ so sagt eine Bauernregel. Gleich zu Beginn unserer Skaterprämiere nasse Straßen, es hat den ganzen Morgen geregnet. Dies treibt bei mir, selbst hier im warmen kuschligen Bett den Adrenalinspiegel in die Höhe. Egal: „Cool Runnings – Dabei sein ist alles“.

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Wie bei der US-amerikanischen Filmkomödie sind auch wir blutige Anfänger und begannen erst vor ein paar Wochen mit dem Training. Und wie in dem Film, müssen auch wir uns erst an das neue Sportgerät gewöhnen. 10, 21 und 42 Kilometer Strecken sind im Angebot. Vorsichtshalber haben wir uns für die Halbmarathonstrecke entschieden.

Die taktische Ausrichtung eines Skate-Rennens ist dem eines Radrennens ähnlich und sollte uns liegen. Ich bin es gewohnt, den Windschatten von Kay auszunutzen. Jedoch starten die Männer zwei Minuten vor den Frauen und Kay wird hoffentlich auf mich warten. Die Arme und Oberschenkel stecken voll mit Laktat, als wir langsam zum Startbereich rollen. Klar, dass wir jetzt vor unserem ersten Inliner-Rennen ungewohnt nervös sind. Aber gerade das ist ja auch einer der Gründe, der für das „Fremdgehen“ spricht.

Hunderte Skater stehen dicht gedrängt in hautengen Rennanzügen. Bevor ich mich in so sein Ding zwänge, muss ich aber erst noch ein paar Kilos loswerden. Es gibt aber auch einige „Normalos“ unter den Skatern in Laufhose und Shirt. Ich bin beunruhigt und so hoffe ich, nicht gleich als Anfänger aufzufallen. Mit coolem Blick versuche ich, eine möglichst entspannte Haltung anzunehmen, fühle mich aber verkrampft, die Schuhe drücken. Claudias pralle Oberschenkel kann ich im Starterfeld der Mädels nicht finden. Dafür haben sich einige Herren unter uns Mädels gemischt.

Der Startschuss fällt

Blitzschnell sind die „Cracks außerhalb unseres Sichtfeldes. Während vorne im Renngeschehen attackiert wird, um langsame oder unliebsame Gegner abzuschütteln, kämpfe ich hier noch mit dem feuchten Untergrund unter den Rollen. Aber auch wir müssen uns gegen die harte Konkurrenz behaupten, denn ich möchte am Ende nicht nur belächelt werden. Weiter rollen wir auf die Ringchaussee, welche die Ortsteile Burg Kolonie und Burg Kauber mit dem Dorf Burg vereint. Bereits nach einigen Kilometern ist die Muskulatur warm und ich hänge mich an eine große Gruppe Skater, die im Gleichschritt rhythmisch über den glatten Asphalt gleiten. Auf den Trikots steht „Rolling Oldies“. Da bin ich doch gut aufgehoben. Kay hält das Szenario in Bild und Ton fest. Wie beim Eisschnelllaufen im Schlittschuhschritt geht es dahin.

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Ich werde sicherer und übermütiger, löse mich aus der Gruppe und ziehe vorbei. Ich versuche möglichst lange auf einem Bein und mit einer Gurkenhaltung, sprich: tiefen Oberkörperposition dem Wind keinen Widerstand zu bieten. Kay hat den besseren Abdruckweg der Beine und damit eine höhere Kontrolle. Erstaunlich, über welch gute Grundkondition wir durch das Laufen verfügen. Während vorne die Profis mit fast 40 Kilometer in der Stunde dahingleiten, beschleunigen wir immerhin auf Tempo 20 bis 25. Bis zum Berlin Skatemarathon müssen wir allerdings noch am Tempo und an der Technik arbeiten.

Knochen brechen nicht, sie zersplittern

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Ich möchte Kays Windschatten ausnutzen. Auf dem Rennrad funktioniert das einwandfrei. Hier ist es bedeutend schwieriger für mich und ich weiß, dass ein „Hinterher-Skaten“ im Abstand von einem bis zwei Metern nicht wirklich viel bringt. Kay drückt sich einmal ab, ich zweimal. Es ist nicht nur die Beinlänge, sondern auch die Rollengröße, die hier den Unterschied macht. Ich versuche den Rücken kurzzeitig zu entlasten und richte mich etwas auf, leider rächt sich das sofort. Der Luftwiderstand durch den aufgerichteten Oberkörper lässt mich wieder ein paar Meter zurückfallen. Also zurück in die Hocke. Bloß nicht darüber nachdenken, was passiert wenn Kay stürzt.

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Als das Bob Team in dem Film „Cool Runnings“ zusammengestellt wurde, fiel anfangs der Satz: „Beim Bobfahren brechen die Knochen nicht – sie zersplittern!“. Wie ich gerade jetzt darauf komme? Kays Rollen rutschen in einer 90 Grad-Kurve weg und er schlittert über den nassen Asphalt. Helm, Knie- und Ellenbogenschoner, mit einer Kappe aus Hartplastik, einem Polster aus Schaumstoff, hat das Schlimmste verhindert. Schnell rappelt Kay sich wieder auf, denn obwohl wir in der Platzierung weit hinten liegen, sind wir gut unterwegs und mit Sicherheit wird dies heute unsere Halbmarathon-Bestzeit.

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Wir sind in der zweiten Runde. Mir fällt die ungeheure Stille auf. Keine Autos! Keine Bahnstrecke! Keine Flugzeuge! Nur das Surren unserer Rollen. Der Körper hat sich an das gleichmäßige Pendeln und Gleiten gewöhnt – ein selbstvergessener Flow. Das bei einem Seitensprung nicht passieren darf, ist passiert, ich habe mich in diese Sportart verliebt.

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Wie eine Gurkenkönigin fühle ich mich, als man mir zur Erinnerung nun die Silbergurke und damit auch die vierte Gurke um den Hals hängt. Im Zielbereich tauschen wir glücklich erste Erfahrungen mit Erfahrenen aus, während sich die Marathonis auf den Höhepunkt des Wochenendes vorbereiten: Der Spreewald-Marathon in seiner 10. Auflage.

Theoretisch, also wirklich nur rein theoretisch könnte man nach dem Skater-Halbmarathon im Anschluss den Marathon mitlaufen. Das wäre doch mal was? Vielleicht im nächsten Jahr?

RESÜMEE:

Wie beim Speed-Dating, weiß man vielleicht am Ende was man will, was man kann und noch besser, was gar nicht geht. Der Spreewald Marathon ist mehr als nur ein One-Night-Stand und jeder findet seine Gurke. Dass diese Affäre geheim bleibt, ist allerdings ausgeschlossen, denn auf irgendeiner Ergebnisliste wird man dich bestimmt entdecken.
Wieder Zuhause werden wir sie präsentieren, unsere muskulösen, fit und jugendlich wirkenden Arme und Beine; den Muskelkater verschweigen wir.